Der Grad der Erforschung der Thematik "Kriegsgefangenschaft im 1. Weltkrieg" ist generell sehr gering, entsprechend ungenau und zum Teil widersprüchlich sind die Zahlen.
Die Aufzeichnungen des ehemaligen Zentralnachweiseamts für Kriegerverluste und Kriegergräber, in dem seinerzeit die Unterlagen für die deutschen Gefallenen des Ersten Weltkrieges gelagert wurden, sind gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in Berlin durch Bombeneinwirkung weitestgehend vernichtet worden.
Die Hoffnung, dennoch valides Zahlenmaterial über die Todeszahlen deutscher Kriegsgefangener in Frankreich beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu erhalten, wurde nicht erfüllt.
Zwar weiss der Volksbund zum Beispiel, dass in einem Massengrab in Vouziers 3200 deutsche Soldaten (2978 nicht identifiziert) bestattet sind, jedoch kann er nicht beziffern, wieviele von diesen Menschen in Kriegsgefangenschaft verstorben sind.
Dennoch soll an diese Stelle etwas "Zahlenmaterial" als Zusammenfassung dargestellt werden. Es folgen Aufstellungen gemäß Oltmer und Jones.
Deutsche Kriegsgefangene
Anzahl verstorben Sterblichkeit
Frankreich ca. 392.000 25.200 6,42%
GB ca. 328.900 10.000 3,04%
Rusland ca. 167.000 58.450 ca. 25%
Kriegsgefangene im Deutschen Reich
Anzahl verstorben Sterblichkeit
Frankreich 520.500 (17.000) 38.900 (3,27%) 7,47%
GB 175.600 (5500) 12.400 (3,13%) 7,06%
Russland ca. 1.400.000 75.600 - 91.000 5,4% - 6,5% (dt. Angaben)
Eine Vergleichbarkeit dieser Zahlen ist nicht gegeben. Die Kriegsführenden Parteien waren stets bemüht, die eigenen Zahlen zu schönen und die des Gegners in ihrem Sinne zu verändern. Somit sind auch offizielle Zahlen zu hinterfragen.
Bedingt durch die unterschiedliche Zahlweise der Gefangenen und die unterschiedliche Verweildauer in Gefangenschaft selbst (dt. Kriegsgefangene wurden in Frankreich erst am Januar 1920 entlassen) läßt sich an der Sterblichkeitsrate in den Lagern der einzelnen Länder kein direkter Schluß auf die dortigen Haftbedingungen ziehen.
Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Sterblichkeit russischer Kriegsgefangener in Deutschland aufgrund deren Versorgungslage und Verweildauer höher gewesen ist, als von französischen und englischen Kriegsgefangenen.
Die Sterblichkeitsrate in Russland ist z. B. bedingt durch Epedemien in den Jahren 1914/ 15.
Nach Jones, S. 22f
Kumulierte Anzahl der Kriegsgefangenen im Deutschen Reich bis Oktober 1918
Anzahl Anteil Entlassung
Russland 1.434.529 56,90% bis Juli 1922
Frankreich 535.411 21,23% bis 31.12.1918
GB 185.329 7,35% bis 31.12.1918
Rumänien 147.986 5,87% bis 31.12.1918
Italien 133.287 5,29% bis 31.12.1918
Belgien 46.019 1,82% bis 31.12.1918
Serbien 28.746 1,14% bis 31.12.1918
Portugal 7.457 0,28% bis 31.12.1918
USA 2.457 0,11% bis 31.12.1918
Japan 107 0,004% bis 31.12.1918
Montenegro 5 0,0002% bis 31.12.1918
Gesamt 2.520.983 (tats. 2.100.000)
Erläuterung der Differenz, nach dt. Angaben:
geflüchtet 107.000
freigelassen/ ausgetauscht 219.000
gestorben 135.338 (5,37%)
Summe 416.338
Nach Oltmer, S. 69f
Anmerkung
Gemäß den Bedingungen des Waffenstillstandes vom 11.11.1918 musste das Deutsche Reich die Kriegsgefangenen der Entente, einschließlich der USA bis zum 31.12.1918 freilassen. Deren Rücktransport in die Heimat musste Vorrang vor dem ebenfalls verpflichteten Truppenrückzug gewärt werden.
Die Freilassung der russischen Kriegsgefangenen erfolgte bis 1922, aufgrund "revolutionärer Wirren" nach der Oktoberrevolution.
Die dt. Kriegsgefangenen wurden im Gegenzug nicht freigelassen, vielmehr behielten sich die Entente-Staaten vor, das Inkrafttreten eines Friedensvertrages abzuwarten. Die deutschen Kriegsgefangenen dienten somit in der Folgezeit als weiteres Druckmittel in den Versailler Friedensverhandlungen.
Die USA und GB begannen im Oktober 1919 mit der Rückführung der Dt. Kriegsgefangenen.
Frankreich repatriierte als letzter Entente-Staat ab 10. Januar 1920 (Ratifizierung des Versailler Vertrages). Die Aktion war im März 1920 abgeschlossen. Die verurteilten dt. Kriegsgefangenen verblieben z.T. bis 1922 in französischer Haft.
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