Otto Mehnert


Jugend, Krieg, Gefangenschaft
Otto Mehnert wird am 22.11.1897 in Schöningen in der Magdeburger Börde als Sohn eines Eisenbahnbeamten geboren. Er hat einen jüngeren Bruder, Oswald Mehnert.
Nach der Schule wird er im Alter von 18 Jahren zum Militärdienst in das Reserveinfanterieregiment 27 (RIR27) in Halberstadt eingezogen und gerät nach kurzer Zeit im Fronteinsatz bei Verdun am 24.10.1916 in französische Kriegsgefangenschaft.
Im Frühjahr 1920 wird er als einer der letzten Kriegsgefangenen entlassen. Hinter ihm liegen 1224 Tage Kriegsgefangenschaft, ein gescheiterter Fluchtversuch und 30 Tage Einzelhaft.

Nachkriegszeit
Mehnert kehrt zu seiner Familie zurück und absolviert eine kaufmännische Ausbildung.
Im November 1928 heiratet er Margot Lenz aus Braunschweig. Zu diesem Zeitpunkt arbeitet Mehnert bereits in Hamburg für das deutsche Shell Tochterunternehmen Rhenania-Ossag Mineralölwerke AG.
Nach wechselnden Tätigkeiten in der Buchhaltung des Konzerns in Bremen, Düsseldorf und Hamburg, erlebt er die Machtübernahme der NSDAP 1933 in Stettin als Leiter der Buchhaltung. Dort bleibt er bis 1935 und zieht dann erneut nach Düsseldorf, um dort der Verwaltung der Niederlassung vorzustehen.

NS-Staat, Verfolgung
Die ausdrücklichen Aufforderungen, „noch in letzter Minute der Partei beizutreten“ lehnt Mehnert „entschieden ab“, weil ihm „die Ellenbogenpolitik der Nationalsozialisten schon damals zuwider“ gewesen ist. Seine Frau gilt nach den Rassegesetzen von 1935 als „Jüdischer Mischling 2.Grades“. In der Folgezeit gerät er in Konflikte mit dem NS-Apparat, da er versucht, „neutral“ zu bleiben und sich politische Einflussnahmen auf den Geschäftsbetrieb verbittet.
Die Familie Mehnert erlebt die wachsende Verfolgung der Juden in Deutschland und fühlt sich gleichermaßen und zunehmend bedroht.
Als Mehnert 1937 beabsichtig, selbständiger Bücherrevisor zu werden, muss er in den NS-Rechtswahrerbund (NSRB) und die NSDAP eintreten - die Abstammung seiner Ehefrau wird aktenkundig, seine Karriere ist beendet.
Die NSDAP nimmt ihn zunächst ohne Prüfung auf, doch auch hier muss er sich 1938 zur Abstammung seiner Frau erklären. Nur die Einberufung des Ortsgruppenleiters, dem er sich zuvor offenbart hatte, verhindert weitere Konsequenzen. Mehnert zahlt weiter die Mitgliedbeiträge und hofft, nicht entdeckt zu werden.
Die Familie gerät psychisch zunehmend unter Druck. Margot Mehnert wird depressiv und hegt Selbstmordgedanken. Das Gefühl, „in den Augen der Umwelt ein zweitklassiger Mensch zu sein“ und der beruflichen Laufbahn ihres Mannes „im Wege zu stehen“ lässt sie nicht mehr los, zumal auch Teile von Mehnerts Familie die Trennung des Ehepaares betreiben – Mehnerts bleiben bewusst kinderlos („ein Kind mit jüdischem Einschlag wäre bei der damaligen Erziehung der Jugend zum Antisemitismus nur ein bedauernswertes Geschöpf gewesen.“).
Aber auch Mehnert „gerät aus dem Gleichgewicht“ - er verfasst seine Erzählung, vermutlich um sich durch diese Arbeit die nötige Ablenkung von der ständigen Belastung zu verschaffen. Über viele Monate ist er krank. Im November 1939 gibt er seinen Arbeitsplatz auf, Mehnerts ziehen in seine Heimat in den Harz nach St. Andreasberg, um wieder zur Ruhe zu kommen. Der Wohnungswechsel tut der Familie gut, aber auch hier gibt es zunehmende Schwierigkeiten durch den Bürgermeister der Stadt, der über die „Verhältnisse“ unterrichtet ist.

Süddeutsche Holzverzuckerungswerke A.G. Regensburg
Mehnerts verlassen St. Andreasberg im Juli 1942 und ziehen nach Tegernheim, wo Mehnert eine Anstellung als Prokurist bei den Süddeutschen Holzverzuckerungswerken A.G. (Südholag) in Regensburg annimmt. Seine Frau arbeitet für einige Zeit bei der Gemeindeverwaltung Tegernheim.
In der Südholag werden etwa 200 polnische Zwangsarbeiter, wie auch Kriegsgefangene eingesetzt. Mehnert erinnert sich an seine eigene Zeit als Kriegsgefangener und setzt sich für diese ein - es kommt zu „verschiedenen Zusammenstößen“ mit dem Werkschutzleiter.
Im Oktober 1943 wird Mehnert eröffnet, dass nunmehr ein Ausschlussverfahren gegen ihn eröffnet ist, da seine Frau "nichtarisch" sei. Nach mehrmaliger Vorladung, zieht er im März 1944 formell seinen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP zurück und wird einige Monate später von seinem Posten als Personalchef und Verwaltungsleiter entfernt und zum Holzeinkäufer degradiert.

Nachkriegszeit, Entnazifizierung, Ruhestand
Mehnert gilt als Parteimitglied und wird durch die Spruchkammer I in Regensburg zunächst als „Mitläufer“ eingestuft. In einem Einspruchsverfahren gelingt es ihm, in die Gruppe V „Entlasteter“ eingereiht zu werden. In der Begründung des Urteilsspruchs vom 17.01.1947 heißt es:

„[…] Sein Verhalten gegenüber der Partei war infolge seiner Verheiratung mit einer Jüdin gegensätzlich zur Partei. Seine Ablehnung des Nazismus hat dazu gefühlt, daß er sich in seinem Geschäft jede politische Propaganda verbot und dadurch einen Verweis mit einer Geldstrafe von RM 100,- zu zog. Dadurch, daß er die Verbindung mit dieser Jüdin nicht aufgab, hat er im Rahmen und nach dem Maß seiner Kräfte aktiven Widerstand geleistet, der ihm eine Reihe von ideellen und materiellen Nachteilen einbrachte.“

Nach dem Krieg nimmt Mehnert seine leitende Tätigkeit bei den Süddeutschen Holzverzuckerungswerken  A.G. wieder auf.
Im Mai 1957 ziehen Mehnerts, vermutlich als Rentner, nach Tutzing an den Starnberger See.
Im Alter von 70 Jahren verstirbt Otto Mehnert im August 1968. Seine Frau Margot folgt ihrem Mann vier Jahre später.
Beide Gräber sind nicht mehr erhalten.

2013 wird sein Manuskript wiederentdeckt.
2014 folgt die Veröffentlichung.

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