Dienstag, 6. Januar 2015

1. An der Front: Kampf um den Douaumont - III

[24. Oktober 1916]
Aus dem Morgennebel taucht langsam der Douaumont empor – nur noch ein aufgewühlter, blutgetränkter Erdhaufen. Links davon tritt der Höhenrücken »Kalte Erde« mit seinen Vorwerken hervor. Schwarze Pulvermassen schießen gen Himmel und lassen die Atmosphäre bis zu uns herüber erzittern. 40cm Geschosse sind es, mit denen der Franzmann das Fort zertrümmert.
[...]Nebelschwaden ziehen an unserem Hang vorüber. Ein Flieger fegt über uns hinweg – noch einer – ein Dritter sogar. Sie schießen mit dem MG auf unsere Kameraden in vorderster Stellung. Tatt tatt tatt tatt tatt tatt – stop – und wieder tatt tatt tatt tatt – jeder einzelne wird aufs Korn ge-nommen.
Jetzt wird es uns unheimlich in unserem Loch. Wir springen hinunter in den Hauptstollen. Unmöglich hineinzu-kommen – er ist bis an den Rand vollgestopft mit Verwundeten. Jammern und Stöhnen dringt herauf. Ein Sanitäter kommt gerade schweißtriefend vom Fort.
Er ist völlig verfahren und berichtet mit fliegendem Atem: »Das Fort ist vollkommen zerschossen, gestern hat einer durchgeschlagen mitten ins Lazarett hinein. Hundert Mann sind dabei draufgegangen. Die Kasematten sind auch zerschossen!« Sein Atem pfeift. Man gibt ihm einen Schluck Kaffee. Er fährt fort: »Das Fort müssen wir aufgeben. Gestern ist das ganze Munitionsdepot in die Luft geflogen, die 40cm Brocken hauen überall durch. Von den Pionieren ist keiner davon gekommen. Alles voll Gas, kein Mensch kann mehr aushalten.«
»Dann haben wir heute noch den Angriff zu erwarten«, stellt Hansen fest und nimmt uns mit zum Pionierstollen.
[...]
Hansen springt plötzlich auf.
»Wir müssen nach vorn!«, schreit er, »Los, sofort beide MG!«
Wir kriechen am Hang hinauf, denn das Feuer ist zum Orkan angeschwollen. Rrrrach – ein Treffer oberhalb unseres Unterschlupfes. Ein Hagel von Schutt und Steinen kommt auf uns herab.
Wir zerren unser MG hervor und prüfen noch einmal, ob alles klar ist. Die Munition haben wir weiter oben am Hang untergebracht. Ich will sehen, ob sie nicht verschüttet ist und krieche hinaus.
Der Mund bleibt mir für einen Augenblick offen stehen. »Die Franzosen!«, schreie ich Pfahl an, der blitzschnell die Situation erfasst und im Loch verschwindet, um das MG klar zu machen.
»Revolver! Handgranaten!«, brülle ich ihm zu. Wir raffen zusammen, was wir packen können.
Rrrrach - rrrsch – krepieren die Handgranaten vor uns. Die Kugeln pfeifen über unsere Köpfe hinweg. Die ersten Franzosen brechen in unserem Feuer zusammen. Unten am Damm schreien unsere Landsleute auf. Ein Feuerregen prasselt gegen den Damm. Von oben wirft man Handgranaten auf uns. Wir bleiben ihnen nichts schuldig – sie müssen vor unserer Stellung zu Boden. Jetzt geht es Mann gegen Mann.

Vor mir erhebt sich die Fratze eines Negers. Im nächsten Moment ist er erledigt. Hinter ihm schieben sich andere heran. Pfahl schafft Handgranaten herbei. »Das MG!«, schreie ich ihm zu. Aber es ist ein Verhängnis, wir können das MG nicht flott machen – man hat uns überrumpelt. Wir müssen uns also bis zur letzten Handgranate wehren. Der Dreck fliegt mir um die Ohren, die Splitter zirren an mir vorbei. Noch halte ich sie in Schach, blitzschnell tauche ich auf, blitzschnell verschwinde ich wieder in Deckung. Wenn Pfahl mir Munition aus dem Stollen bringt, kommen sie nicht durch. Ich schreie ihm zu: »Handgranaten!«, er aber verteidigt sich bereits in meinem Rücken. In Scharen kommen die Franzosen und Schwarzen rechts und links von uns über den Damm. Wir sind eingeschlossen!
Aus dem Stollen unten winkt ein weißes Tuch hervor. Hansen hatte inzwischen erkannt, das jeder Widerstand nutzlos gewesen wäre. Er will die Verwundeten schonen und außer denen, die bereits vor dem Stollen verblutet sind, keinen Mann mehr opfern.
Mir sinkt die Hand herab. Ehe ich das begreife, treibt mir die Wut die Tränen in die Augen. Alles nutzlos, alles vergebens, das kann nicht sein, das darf nicht sein. Der Kampf aus – verspielt! Nein, noch kann ich es nicht fassen. Ich wende mich den Angreifern von rechts zu. Meine Handgranaten fliegen jetzt den Hang hinab, mitten hinein in eine Gruppe Franzosen, die sich dem Stollen zuwendet. Jetzt haben sie mich erkannt. Gewehrfeuer prasselt gegen den Damm. Ich wundere mich nur, dass mich keine Kugel trifft. Im nächsten Augenblick bin ich in unserem Loch verschwunden. Pfahl ist im Stollen. Die nächsten Sekunden bringen das Ende. Die ersten von uns verlassen mit erhobenen Händen den Stollen.

Einhundertzwanzig Stunden haben die Franzosen unsere Stellung mit einem Hagel von Granaten überschüttet, alles haben sie in Grund und Boden geschossen. Zum ersten Male wendeten sie das rollende Feuer [Feuerwalze] an. Wie abgemessen liefen die Truppen hinter der Feuersalve her, die exakt von hundert zu hundert Meter vorverlegt wurde. Kaum war der Druck des Trommelfeuers gewichen, standen sie bereits vor uns.

"1. Gefangenschaft" fängt am 26.05.14 an.

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